Automatisiertes Testing für Barrierefreiheit

Wie gut sind Accessibility Checker? Eine schnelle Google-Suche danach liefert unzählige Tools, die versprechen, in Sekundenschnelle und vollautomatisch zu analysieren, ob eine Website ADA-, WCAG- oder anderen Barrierefreiheitsstandards entspricht. Das Prinzip klingt denkbar einfach: URL eingeben, Analyse starten – und schon erscheinen Fehlermeldungen, Warnungen oder als „bestanden“ markierte Elemente. Doch der Umgang mit den Ergebnissen unterscheidet sich stark von Tool zu Tool. Manche markieren die gefundenen Fehler direkt auf der Seite und bieten Verbesserungsvorschläge, andere geben lediglich eine Liste von Codeabschnitten aus. Alle Tools eint jedoch ein Versprechen: Mit ihrer Hilfe soll die Website gesetzeskonform werden – sofern die angezeigten Probleme behoben werden. Doch wie verlässlich sind diese Tools wirklich? Und wie weit reicht ihre Analyse?

Illustration eines Laptops auf den verschiedene Fenster in rot und grün aufgerufen sind, die Haken oder Kreuze anzeigen. Drumherum liegen ein Taschenrechner, ein Smartphone und verschiedene abstrakte, technische Symbole.

Wir haben uns drei dieser Tools genauer angesehen: das axe DevTools – Web Accessibility Testing Plug-In für Google Chrome, WAVE von WebAIM und den Free Accessibility Checker von Silktide.

axe DevTools – Schneller Einstieg mit Luft nach oben

Das axe DevTools ist eine Browser-Erweiterung für Google Chrome und funktioniert daher ausschließlich in diesem Browser. Nach der Installation kann das Tool über die Entwicklertools von Chrome geöffnet werden. Die Analyse basiert auf den WCAG 2.1 und wurde in der kostenfreien Version getestet.

Die Bedienung ist unkompliziert: Das Tool kann auf jeder zu analysierenden Seite direkt genutzt werden. Es hebt Fehlerstellen klar hervor, indem die jeweiligen Elemente markiert und die zugehörigen Probleme beschrieben werden und verlinkt zusätzlich zu den dazugehörigen WCAG-Richtlinien. Dadurch ist das Tool auch für Nicht-Entwickler:innen gut verständlich. Allerdings gibt es hier einen Punktabzug für die Übersichtlichkeit – die vielen Codeschnipsel, Tags und weiterführende Informationen können Nutzende schnell erschlagen und Personen, die nicht vertraut mit den Entwicklertools sind überfordern.

Im Test zeigt sich, dass das Tool gewisse Einschränkungen hat. So überprüft es zwar die Kontraste von UI-Elementen wie Buttons, allerdings nur im Default State, denn Hover- oder Pressed-Zustände bleiben unberücksichtigt. Dies ist zwar streng genommen nicht WCAG relevant, eine manuelle Testmöglichkeit wäre hier dennoch praktisch, um auch unabhängig von Richtlinien ein inklusives Nutzungserlebnis zu schaffen. Ein weiteres Problem tritt bei einem Element auf, das weißen Text auf einem hellen Bild platziert. Obwohl dieser Text selbst für Personen mit voller Sehleistung schwer lesbar ist, erkennt das Tool den Kontrastfehler nicht. Generell ist nicht gut ersichtlich, was das Tool alles prüft und was noch manuell vertestet werden muss.

Interface des axeDevTools. Es zeigt 19 total Issues an. Darunter beginnt die Liste der Issues mit: Schaltflächen müssen wahrnehmbaren Text enthalten, Elemente müssen einen ausreichenden Farbkontrast haben, Abbildungen müssen einen Alternativtext besitzen.
axe DevTool Interface. Links müssen einen wahrnehmbaren Text beinhalten aufgeklappt. Darin steht ein Lösungsvorschlags des Problems und ein Codeschnipsel, der die Element Location anzeigt. Darunter sind Tags zu dem Impact, der Section und der WCAG-Richtlinie abgebildet.

WAVE – Umfassende Analysen mit Usability-Hürden

Das zweite Tool im Test ist WAVE vom Anbieter WebAIM, einer Organisation, die sich seit 1997 für Web Accessibility einsetzt und besonders in den USA einen hohen Bekanntheitsgrad genießt. WAVE ist als Browser-Erweiterung für Chrome, Firefox und Microsoft Edge verfügbar. Alternativ kann das Tool auch direkt über die Website genutzt werden, indem die URL der gewünschten Seite eingegeben wird. Die Analysen basieren auf den aktuellen WCAG 2.2-Richtlinien.

Ein Vorteil von WAVE ist, dass es Fehler direkt auf der Seite markiert und zusätzlich Verweise auf den zugehörigen Code liefert. Auch positiv hervorzuheben ist. die tiefergehende Prüfung von Alternativtexten: Das Tool weist nicht nur auf fehlende Alt-Texte hin, sondern gibt auch Warnungen bei besonders langen Texten aus. Diese Funktion ergänzt die Prüfung durch weitere sinnvolle Parameter. Zudem zeigt WAVE alle vorhandenen Alt-Texte, Strukturelemente und ARIA-Labels an, was jedoch für unerfahrene Nutzer:innen schnell unübersichtlich wirken kann, da es keine klare optische Trennung zwischen fehlerhaften und korrekten Elementen gibt.

Spannend ist der integrierte Contrast Checker, mit dem die Seite in Graustufen angezeigt und Kontraste einzelner Elemente überprüft werden können. Allerdings weist das Tool darauf hin, dass Verläufe, Transparenzen und Filter im Hintergrund nicht berücksichtigt werden können. Hintergrundbilder müssen manuell über eine Pipette getestet werden.

Ein großer Kritikpunkt bei WAVE ist das Interface: Es wirkt unübersichtlich und die Bedienung ist wenig intuitiv, insbesondere wenn es darum geht, Referenztexte oder Links zu den entsprechenden WCAG-Kriterien bei Fehlermeldungen aufzurufen. Trotz dieser Schwächen liefert WAVE eine Vielzahl an Informationen und ist daher besonders für erfahrene Nutzer:innen geeignet. Für einen ersten Eindruck zur Barrierefreiheit einer Website ist das Tool eine solide Wahl, da es auf dem neuesten Stand der WCAG-Richtlinien testet.

WAVE Interface. Es zeigt unter Summary 17 Errors, 36 Contrast Euros, 28 Alerts, 103 Features, 47 Structural Elements und 106 ARIA an. Darunter ist ein Button abgebildet der mit "View Details" beschriftet ist.
WAVE Interface. Es zeigt Errors an mit 2 x Missing alternative text, 4 x Empty button. Darunter 14 Alerts mit 5 x long alternative text, 1 x possible heading, 2 x redundant link, 1 x noscript element und 5 x HTML video or audio. Darunter sind 73 Features aufgelistet, darunter: 3 x alternative Text und 36 x Null or empty alternative text. Jede Meldung ist mit einem kleinen Icon versehen.

Free Accessibility Checker – Innovativ, detailliert und nutzerfreundlich

Der Free Accessibility Checker von Silktide ist ebenfalls als Browser-Erweiterung verfügbar, allerdings ist auch dieser hier wieder ausschließlich für Google Chrome verfügbar. Neben der kostenfreien Erweiterung bietet Silktide eine umfassende Accessibility-Software an, unser Test bezieht sich jedoch ausschließlich auf die kostenfreie Version des Checkers.

Ein herausstechendes Merkmal dieses Tools ist die Möglichkeit, vor der Analyse auszuwählen, nach welcher WCAG-Version und welcher Konformitätsstufe (A, AA oder AAA) getestet werden soll. Ähnlich wie bei WAVE führt der Checker einen automatisierten Test per Knopfdruck durch und zeigt anschließend Fehlermeldungen an, die beim Anklicken das entsprechende Element auf der Website hervorheben. Besonders praktisch: Jede Fehlermeldung enthält nicht nur das passende WCAG-Kriterium, sondern auch eine ausführliche Erklärung, Lösungsvorschläge mit Code-Beispielen und weiterführende Links.

Das Interface des Tools ist übersichtlich gestaltet und intuitiv zu bedienen. Zudem bietet Silktide an vielen Stellen kleine Anleitungen oder Videos, die die Bedienung erleichtern – ein großer Pluspunkt für die Nutzerfreundlichkeit.

Besonders beeindruckend sind die zusätzlichen Features, die in diesem Umfang bisher kein anderes getestetes Tool bietet. Der Checker ermöglicht nicht nur die Simulation von Screenreader-Ausgaben und der Bedienungsreihenfolge per Tastatur, sondern auch die Nachbildung verschiedener visueller Einschränkungen. Dazu gehören etwa Doppelbilder, Katarakte oder der Verlust des peripheren Sehens.

Bei der Farbwahrnehmung bietet Silktide ebenfalls eine außergewöhnliche Vielfalt: Neben der klassischen Graustufenansicht lassen sich unterschiedliche Farbsehschwächen simulieren. Eindrucksvoll ist auch die Simulation von Dyslexie, auch wenn unklar ist, inwiefern diese die Realität widerspiegelt. Außerdem sind alle Simulationen mit Erklärungstexten und statistischen Angaben zur Häufigkeit der Einschränkungen ergänzt.

Silktide setzt mit diesen Funktionen neue Maßstäbe und bietet sowohl eine präzise technische Analyse als auch tiefere Einblicke in die Nutzerperspektive. Dank der umfangreichen Features, des benutzerfreundlichen Interfaces und der detaillierten Hilfestellungen ist der Free Accessibility Checker von Silktide derzeit unser klarer Favorit unter den getesteten Tools.

UXMA Website mit Silktide Checker Interface darüber. Focus Order ist angewählt und zeigt mit einzelnen Kreisen in denen Zahlen stehen und die mit lila Linien verbunden sind, die Reihenfolge der Elemente an.
Silktide Accessibility Checker Interface. Das Tool zeigt eine Liste von Funktionen: Accessibility checker, color Kontrast, alt text, screen reader, focus order, landmarks, headings, impaired vision, color blindness, dyslexia, learn about accessibility. Darunter ist noch ein Video verlinkt mit dem Titel: What is WCAG? 3.2 Predictable.
Silktide Accessibility Checker Interface in Aktion bei der UXMA Website. Der Impaired Vision Simulator ist angewählt unter Cataracts & Myopia bei 20% und der Loss of Central Vision bei 48%. Die Website erscheint dadurch verschwommen und ein großer schwarzer Punkt mit auslaufendem Rand überschattet große Bereiche des Interfaces.

Wozu dann noch manuell testen?

Accessibility Checker sind zweifellos hilfreiche Werkzeuge, um schnell grundlegende Barrierefreiheitsprobleme auf einer Website zu identifizieren. Sie können dabei unterstützen, offensichtliche Fehler aufzudecken und technische Standards von einigen WCAG-Kriterien zu überprüfen. Doch wie wir festgestellt haben, stoßen diese Tools schnell an ihre Grenzen – sowohl technisch als auch inhaltlich.

Ein zentraler Schwachpunkt ist ihre Unfähigkeit, kontextuelle Probleme zu erkennen. Ein Checker mag bestätigen, dass alle Alternativtexte vorhanden sind, aber wenn diese nur aus dem Wort „Bild“ bestehen, ist das für die Nutzer:innen völlig unbrauchbar. Ebenso scheitern viele Tools an der Überprüfung komplexer, interaktiver Elemente, da sie diese oft nicht korrekt analysieren können. Zudem gibt es bei einigen WCAG-Richtlinien einen gewissen Interpretationsspielraum. Während die Checker nur klar messbare Kriterien testen können, erfordern einige Richtlinien die kontextabhängige Betrachtung.

Auch die Nutzendenerfahrung kann kein Tool verlässlich bewerten. Aspekte wie visuelle Hierarchien, echte Nutzungskontexte für Kontraste oder eine intuitive Navigation erfordern menschliche Einschätzung. Gleiches gilt für die Prüfung der Tastaturbedienung oder der Screenreader-Kompatibilität. Obwohl einige Tools, wie beispielsweise der Free Accessibility Checker von Silktide, hilfreiche Screenreader-Simulationen bieten, können sie nicht beurteilen, ob das Vorgelesene in Reihenfolge, Aufbau und Inhalt sinnvoll ist.

Mithilfe dieser Tools lassen sich technische und einfach identifizierbare Probleme aufspüren und helfen einen ersten Überblick zu erlangen. Nichtsdestotrotz sind manuelle Test durch echte Nutzer:innen unabkömmlich, wenn die Barrierefreiheit einer Website nicht nur technisch korrekt, sondern auch tatsächlich inklusiv und nutzerfreundlich sein soll.

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